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Kriegsende - Fortsetzung

 

Was geheim gehalten wurde, dass französische Flieger, die unter dem Befehl von Général Leclerc standen, verweigerten, in die Flugzeuge zu steigen, um diesen Angriff, den sie als vollkommen verkehrt hielten, mitzumachen. Denn nach Aussage von diesen Fliegern war diese Vernichtung französischer Städte gar nicht nötig für diese kleine Truppe, waren doch schon die amerikanischen Truppen in Deutschland einmarschiert. So wurde Royan und Saint Vivien vollkommen zerstört. Vor allen Dingen die Kirche vom 12. Jahrhundert blieb das Altarabteil stehen, so dass die neue Kirche von der Kunstakademie von Paris nach diesem Stil aufgebaut wurde. Das Kreuz auf dem Kirchturm wurde von einem deutschen Flieger hochgebracht, der als Maurer an dem Bau der Kirche arbeitete. Er war der einzige, der schwindelfrei war.

Die Kirche von Royan hingegen ist ganz modern. Der Bau sollte ein Dank für die Amerikaner sein, die mit Booten Frankreich zu Hilfe kamen. Er ähnelt einem dieser Boote und ist mit seiner Spitze dem Meer zugewandt. Für viele, die die Geschichte nicht wissen, ist es ein großes Fragezeichen, denn sie können das riesige Machwerk nicht begreifen.

In Saint Vivien war kein Haus verschont geblieben, zum Segen der Bewohner, die für die verfallenen Häuschen neue aus geschnittenen Steinen gebaute Häuser bekamen. Sie selber waren fast alle im Innenland evakuiert, so dass es nur sehr wenig Tote gab. So ist es ein schönes kleines Städtchen geworden mit Polizeistation, Feuerwehr und jeden Mittwochmorgen Markttag. Die Feuerwehr ist aber nur aus Freiwilligen zusammengestellt. Da auch die Sparkasse, Docteur und Apotheke sich dort befinden, findet man mittwochs früh Bekannte von der ganzen Gegend.

In der Gemeinde liegt noch von diesem Bombenangriff ein Schiffswrack. Ist in zwei Teilen, doch auf dem ersten Teil ist noch die Kanone. Der Soldat, was sie bedient hat, ist vor ein paar Jahren nochmals daran gestanden. 40 Jahre später war eine sehr große Ebbe und Flut, und das Schiffsteil lag auf dem trockenen Sand, aber in die Sandbank eingepflanzt. Es war für unseren Freund Karlheinz ein unvergessliches Erlebnis, als er nochmals vom Schiff sprang. Seine Haare waren mit zwanzig Jahren noch braun, aber dann - 40 Jahre später - stand ein weißhaariger Herr vor seiner Kanone. Leider hat unser Herrgott ihn das vergangene Jahr zu sich gerufen. Ich vergesse nicht unsere erste Begegnung. Nach dem Kriege 1949 waren wir hier ein bisschen aus aller Welt zusammen gewürfeltes Häufchen Deutschsprachige, fanden uns an Samstagabenden bei Freunden zusammen, so auch Karlheinz, der sein Mütterchen bei sich hatte. Denn nach dem Krieg war ein Abkommen abgeschlossen worden, die Familien der Gefangenen, die 1947 Freiarbeiter wurden und nicht in ihre Heimat zurück konnten, herkommen zu lassen. Es waren ja sehr viele aus den Ostländern oder ausgebombt, so dass im März 1949, als wir hier ankamen, schon drei Familien mit Kindern in der Gemeinde hier wohnten. Dadurch waren wir auch nicht betrübt, in einem anderen Land zu sein.

Oft stellt man mir die Frage, was aus den letzten Kriegern hier wurde. Sie kamen in große Sammellager, wo sie alle am Hungertuch nagten. Dann kamen aus der ganzen Umgebung die Weinbauern und Viehzüchter, um billige Arbeitskräfte zu finden. Auch im Sägewerk wurden viele beschäftigt. Haben auch viele ältere Jungfrauen, die sich auf junges Leben freuten und so doch nicht vom Liebesgott vergessen waren. Denn nachdem die Jungs ein bisschen herausgefuttert waren, entfalteten sich ganz herrliche Gestalten, die dann ein liebendes Mutterherz fanden. Da man sich so ein warmes Nest nicht wegnehmen ließ, waren auch ein paar, die dann in den Ehestand traten, was bis heute noch glückliche Familien sind.

Hingegen waren andere bei Bauern beschäftigt und nach getaner Arbeit ein bisschen verlassen, war doch die Lebenshaltung nicht leicht, da ja wenige die hiesige Sprache beherrschten. Dafür wurde mein Mann ihr Dolmetscher. So wurden wir nach und nach der Hafen der Heimat.

Agnes Kern (Loirac)